Digital Interventions. Bodies, Infrastructures, Politics – Bericht zurJahrestagung des SFB Intervenierende Künste

Berlin, 09.–10.05.2025 

Organisation: Arbeitsgruppe „Digitaler Aktivismus“ in Kooperation mit dem HAU Hebbel am Ufer

Am 9. und 10. Mai 2025 fand am HAU Hebbel am Ufer die Jahrestagung des Sonderforschungsbereichs „Intervenierende Künste“ statt. Im Zentrum stand die Frage, wie Künstler*innen, Aktivist*innen und Forschende dem allgegenwärtigen Einfluss digitaler Technologien auf Körper, Politik und Infrastrukturen in unserer postdigitalen Gesellschaft begegnen – und mit welchen Praktiken sie kritische Gegenentwürfe entwickeln.

Die zweitägige Tagung setzte sich auf vielfältige Weise mit dieser Frage auseinander – von Vorträgen wie „Follow the Body: Materiality and Resistance in the Age of Data Extraction“ von Joana Moll über eine Paneldiskussion zur Rolle künstlerischen Widerstands gegen digitale Repression bis hin zu Workshops und der multimedialen Performance „NFTs: Non Fuckable Tokens“ von Claudi Vanesix.


Die Tagung bewegte sich zwischen techno-optimistischen und

-pessimistischen Positionen, und zielte darauf ab, eine Haltung des kritischen Realismus gegenüber der digitalen Gegenwart zu etablieren.

Grundlegend war dabei die Post-Digitalität als analytischer Ausgangspunkt, die gängige Dualismen wie online vs. offline hinterfragt, zugleich aber deren implizite und explizite fortdauernde Wirkmacht anerkennt. 

Zentral war zudem das Konzept des „Witness“: Eine postdigitale Konzeption von Zeug*innenschaft und „Witnessing“ – als ästhetische, methodische und politische Taktik.


Programm am 09.05.2025

Willkommen und Einführung

Mit Sarah Reimann (HAU Hebbel am Ufer), Karin Gludovatz (Freie Universität Berlin), Simon Teune und Iryna Kovalenko (Organisator*innen).

Aria Dean: „Labor, Art, and the Vernacular Aesthetic Online”

Aria Dean, Künstlerin, Schriftstellerin, Kuratorin und Mercator-Fellow am SFB Intervenierende Künste, eröffnete die Tagung mit ihrem Vortrag „Labor, Art, and the Vernacular Aesthetic Online“, in dem sie ihren einflussreichen Essay „Poor Meme, Rich Meme“ nachzeichnet und vor dem Hintergrund aktueller digitaler Ökonomien neu kontextualisiert.

Claudix Vanesix: „NFTs: Non Fuckable Tokens”

In der Multimedia-Performance „NFTs: Non Fuckable Tokens verhandelt die peruanische Künstler*in Claudix Vanesix aus dekolonialer, feministischer Perspektive, wie Geschlecht und “race” unser digitales Leben strukturieren. Indigenes Wissen trifft dabei auf spekulative Zukunftsvisionen, die neue Narrative für das Verhältnis von Technologie, Körper und Identität entwerfen.

Programm am 10.05.2025

Einführung

Mit Florian Schlittgen und Naomi Boyce (Organisationsteam).

Brigitte Weingart: „The (Micro-)Politics of Meme Culture”

Brigitte Weingart, Professorin für Medientheorie und Leiterin des Teilprojekts B04: Aneignen – Bearbeiten – Weiterverbreiten: Zum Interventionspotential von Internet-Memes am SFB 1512 Intervenierende Künste, begann den zweiten Tag mit einem Vortrag, der das ambivalente Interventionspotenzial von Memes im Horizont mikropolitischer Praktiken untersucht. 

Zur Diskussion stand, inwieweit Memes als Praktiken diskursiver Aneignung und subversiver Medialität verstanden werden können, die einerseits zur Formation kritischer Gegenöffentlichkeiten beitragen, zugleich jedoch in den techno-ökonomischen Infrastrukturen verhaftet bleiben, deren Affordanzen und Machtverhältnisse sie mitreproduzieren.

Roundtable: „Art Challenging Digital Repression”

Künstler Aram Bartholl, Film- und Medienwissenschaftlerin Şirin Fulya Erensoy und Journalist und Aktionskünstler Jean Peters führten unter der Moderation von Simon Teune eine Diskussion über verschiedene Ansätze, etablierte Systeme an der Schnittstelle von Kunst, Journalismus, Aktivismus und Archivierung herauszufordern. Dabei thematisierten sie auch die Risiken und Herausforderungen ihrer jeweiligen Praxen.

Roundtable: „Desinformation (and) War” 

Unter der Moderation von Florian Schlittgen und Iryna Kovalenko diskutierten Pekka Kallioniemi, Roman Horbyk, Veronika Solopova und Johanna Hiebl die Rolle medialer Infrastrukturen und Disinformation im Kontext des Russisch-Ukrainischen Kriegs.

Azadeh Ganjeh: „Not a Body for Burial” 

Die aktivistische Performance-Künstlerin, Wissenschaftlerin und Mercator-Fellow am SFB Azadeh Ganjeh folgt in ihrer Lecture-Performance den Spuren eines Instagram-Videos, das eine protestierende, gesichtslose Frau in Susangerd im Iran zeigt. Mit diesem „follow-the-thing“-Ansatz macht sie regionale Spannungen rund um Land, Kontrolle, Zugehörigkeit und Aufopferung sichtbar und betont die Bedeutung von verkörpertem Wissen und „Witnessing“.

Joanna Moll: „Follow the Body: Materiality and Resistance in the Age of Data Extraction”

In ihrem Vortrag analysiert die Künstlerin und Wissenschaftlerin Joana Moll die physischen Implikationen technologischer Interaktionen und argumentiert für ein Verständnis digitaler Technologien als Dispositive, die nicht nur unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, sondern auch unsere Körper materialistisch konditionieren und einschränken.

Den Abschluss der Jahrestagung bildete eine resümierende Gesprächsrunde mit Sambojang Ceesay und Doris Kolesch unter der Moderation von Margarita Tsomou, in der zentrale thematische Linien und wiederkehrende Fragestellungen rekapituliert sowie blinde Flecken und nicht adressierte Perspektiven kritisch reflektiert wurden.

Ein Bericht von Elizabeth Hanisch